Am 07. Februar 2023 referierte Frau Birgit Boeser, Leiterin der Europäischen Akademie Bayern, für die 12. Jahrgangsstufe über das Thema „Separatismus und Regionalismus: Tendenzen in der EU“.

Frau Boeser erklärte, dass sich im Verlauf der Geschichte in Nationen schon immer verschiedene Interessensgemeinschaften herausbildeten, deren Anliegen nicht immer in Übereinstimmung mit den bestehenden Gesetzen und Machtverhältnissen standen. Ein bekannteres Beispiel hierfür wäre Katalonien, doch es gibt auch andere Regionen Europas, wie zum Beispiel Flandern, Norditalien, Transnistrien und die Krim, in denen die Wünsche der Bevölkerung, bezüglich des Staates, nicht in Übereinstimmung mit der bestehenden Ordnung stehen. Infolgedessen kann es auch zu separatistischen Bestrebungen kommen, in denen Regionen versuchen, sich von ihren Ursprungsländern abzuspalten.

Der Vortrag hat sich insbesondere mit politischen Themen beschäftigt und dabei den Fokus auf den Nordirlandkonflikt und die Unabhängigkeitsbestrebungen Schottlands gelegt.

Den Schülern und Schülerinnen wurde aufgezeigt, dass viele Konflikte historisch begründet sind und sich erst auf diese Weise eine aktuelle Situation erklären lassen könne. Dies wurde vor allem am Beispiel Nordirlands veranschaulicht, welches heute zu Großbritannien gehört, während Irland eine eigenständige Nation bildet. In Nordirland stehen sich die protestantischen Unionisten, die weiterhin zu Großbritannien gehören wollen und die katholischen Nationalisten, welche mit Irland eine Nation bilden wollen gegenüber. Zwischen 1969 und 1998 kam es zu bewaffneten, bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen, die mit dem Karfreitagsabkommen, einem Waffenstillstand, beendet wurden. Der Brexit hat diesen Konflikt nun wieder angeheizt. Unter Anbetracht dessen lässt sich auch das Nordirland-Protokoll erklären. Um den Frieden erhalten zu können, ist es von großer Wichtigkeit, dass eine harte Grenze zwischen Irland und Nordirland vermieden wird, indem das Nordirlandprotokoll den Warenverkehr in der Irischen See regelt und Nordirland trotz des Brexits weiterhin den Regeln des europäischen Binnenmarktes folgt. Doch es gibt auch Kritik an dem Beschluss: Es kommt zu Erschwernissen des Handels und die Versorgung Nordirlands ist gestört. Weiterhin steigt auch die Angst vor Extremismus als Reaktion auf das Nordirland-Protokoll, da die Unionisten keine Grenze innerhalb des Vereinigten Königreichs wollen (Irische See) und außerdem eine Annäherung der Nationalisten an Irland befürchten. Die DUP (Vertretung der Unionisten) fordert die Kündigung des Nordirland-Protokolls und blockiert deshalb die Regierungsbildung in Nordirland.

Fakt ist, der Frieden auf der Insel ist ein sehr fragiler Frieden. Laut einer aktuellen Umfrage zu einem neuen Referendum sind die meisten Nordiren dafür, in der EU zu bleiben. Trotz dieser doch klaren Antwort gibt es kein neues Referendum, um wieder in die EU zu kommen. Warum? Man hat Sorge, dass sich Gruppierungen radikalisieren und der Nordirlandkonflikt wieder entzünden könnte.

Als letztes großes Thema erzählte Frau Boeser noch etwas über die schottischen Unabhängigkeitsbestrebungen. Um einen drohenden Staatsbankrott zu vermeiden, vereinigte sich Schottland 1707 mit England zum Königreich Großbritannien. Doch über die Zeit bildete sich Widerstand. Das Streben nach Unabhängigkeit war groß. Idee war es nun, in allen Regionen ein eigenes Parlament zu errichten und so bekam Schottland 1999 wieder eine Volksvertretung, welche unter anderem auch die Schulpolitik in ihrem Land bestimmen darf.

2014 durften die Schotten in einem Unabhängigkeitsreferendum abstimmen, ob sie ein souveräner Staat werden oder Teil Großbritanniens bleiben wollten. Eine Mehrheit von 55% der Wahlberechtigten stimmte gegen die Abspaltung. Das Unabhängigkeitsreferendum war also gescheitert. Doch warum? Schottland ist wirtschaftlich schwach und stark verschuldet. Diese Sorge bestimmte also die Entscheidung nicht unabhängig zu werden. 2016 fand das Referendum zum Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union statt, welches mehrheitlich angenommen wurde. Allerdings stimmte die Mehrheit der Schotten für den Verbleib in der EU und so wollte man 2019 ein erneutes Unabhängigkeitsreferendum vom Vereinigten Königreich stellen. Jedoch wurde der Antrag vom damaligen Premierminister Boris Johnson und anschließend auch vom Obersten Gericht Großbritanniens abgelehnt. Außerdem hätte Schottland auch wieder das Beitrittsverfahren durchlaufen müssen, um abermals Teil der EU zu werden. Gegen Schottlands Beitritt wären auch andere Staaten in der EU wie zum Beispiel Spanien (wegen Katalonien). Schottland befände sich somit in der wirtschaftlichen Zwickmühle, wenn sie weder Teil Großbritanniens noch Teil des europäischen Binnenmarktes wären.

Frau Boeser beendete den sehr informativen Vortrag mit einem Für und Wider über den Separatismus in der EU und ob dieser eine gute Sache sei. Sicher ist, dass die Meinungen stark auseinander gehen. Zuerst müsse geklärt werden, was überhaupt eine Nation, ein Volk sei. Reicht eine eigene Sprache, ein eigener Dialekt denn aus, um einen eigenen Staat zu gründen? Oder braucht es dazu mehr?

 

Jasmin Freihart und Leonie Lange, Q12