Geographie-Exkursion der Q12 am 28./29.10.2021:
Stadtentwicklungsprozesse in München
1.Tag: Stadtentwicklungsprozesse in der Innenstadt
Im Rahmen der Geo-Exkursion ging es Ende November für vier Geographiekurse der Q12 zwei Tage lang durch München. Dabei standen verschiedene Stadtentwicklungsprozesse im Vordergrund.
Wir trafen uns zunächst in aller Früh am Gasteig, um von dort zunächst einen historischen Rundgang durch Münchens Innenstadt zu starten. Die Gegend („gacher Steig“ am Isarhochufer) ist seit der Stadtgründung im 12. Jahrhundert bedeutend, denn dort sind gleich 3 der für München typischen „4 Ks“ erfahrbar, denn sowohl Kultur, als auch Kulinarik und Kommerz sind hier präsent, nur die Kirche in der Nähe fehlt. Der Gasteig selbst ist eines der größten Kulturzentren Europas, mit Stadtbibliothek, Volkshochschule und einem Konzertsaal für die Münchner Philharmoniker (wegen einer Generalsanierung wurde als Ersatz für diesen Saal gerade erste die Isarphilharmonie eröffnet). Das zweite K, Kulinarik, ist vor Ort im Zusammenhang mit der Geschichte der bayerischen Biergärten seit dem 19. Jahrhundert zu sehen. Da sich der tiefgründige Kies am Isarhochufer besonders gut für die kühle Bierlagerung auszeichnete, eröffnete man dort erste Bierkeller („Bürgerbräu“) und danach Biergärten mit Kastanienbäumen, die mit ihren großen Blättern das Bier zusätzlich „beschatteten“ bzw. frisch hielten.
Wir gingen weiter zur nahegelegenen Ludwigsbrücke, bei der das K für Kommerz ablesbar ist: Herzog Heinrich der Löwe nahm 1158 dem reichen Erzbischof Otto von Freising den lukrativen Salzhandel ab, indem er an dieser Stelle eine eigene Zoll-Brücke über die Isar bauen ließ und damit München („bei den Mönchen“) gründete. Durch die Nähe zum Fluss, dem beliebtesten Transportweg vor Erfindung des modernen Straßenbaus, war diese Stelle seit jeher stark vom Handel geprägt. Zusätzlich hat man an der Ludwigsbrücke einen guten Blick auf einige Orte, die auf vielfältige Weise zur Stadtentwicklung beigetragen haben. Die Brücke selbst als Beispiel für Stadtentwicklung durch politischen Machtwechsel, das Müllersche Volksbad (Fortschritt: Hygiene!), die Muffathalle (Wasserkraft!), die Kohle-Insel (Rohstoffe!) und das Deutsche Museum sowie das Europäische Patentamt (Fortschritt/Wissenschaft).
Anschließend betraten wir die mittelalterliche Stadt München durch das Isartor, eines der vier ehemaligen Stadttore. Es galt als wichtigste Zollstelle der Stadt, denn die auf der Isar von Flößern hergebrachten Rohstoffe (v.a. Bauholz aus den Bergwäldern der Alpen) wurden direkt für den Stadtausbau angeliefert. Da viele Flößer das durch den Holzhandel erwirtschaftete Geld in den nahegelegenen Wirtshäusern gleich wieder ausgaben, etablierten sich im Tal (dem Weg zwischen Isartor und Marienplatz) viele Schreinereien und Gastronomen, sodass dort auch heute noch die größte Gastronomie-Dichte Münchens besteht.
Den Marienplatz untersuchten wir v.a. im Hinblick auf die sieben Grunddaseinsfunktionen (arbeiten, wohnen, sich ver-/entsorgen, sich bilden, sich verwalten, sich erholen und am Verkehr teilnehmen) und stellten fest, dass vor allem Verwaltung, Versorgung, Arbeit und Verkehr hier von zentraler Bedeutung sind. Die Zerstörungen durch den 2. Weltkrieg und die Gestaltung der Fußgängerzone im Zusammenhang mit den olympischen Spielen 1972 bzw. der Fußball WM 1974 haben das heutige Bild des Platzes außerdem geprägt. Wir erkundeten den Rindermarkt (Kommerz), den Viktualienmarkt (Kommerz und Kulinarik), die Schrannenhalle (Kulinarik) und die Synagoge am Jakobsplatz („Kirche“) und sahen mit dem direkten Kontrast des Flüchtlings-Projekts „Bellevue di Monaco“ neben dem Luxushochhaus „The Seven“ in der Müllerstraße zwei Gesichter der Stadt und die damit verbundenen Probleme (Stichwort: „Gentrifizierung“).
Zum Abschluss des Vormittags besuchten wir noch kursweise die aktuelle Ausstellung im PLAN-Treff, die uns einen guten Überblick über die 15 wichtigsten Themen der Münchner Stadtentwicklung geben konnte. Vor allem die neue Platzverteilung in der Stadt aufgrund der Corona-Pandemie ist dabei neu und draußen im Glockenbachviertel auch überall zu beobachten.
Zusammenfassend kann man sagen, dass seit jeher vor allem politische und gesellschaftliche Veränderungen, wirtschaftlicher Erfolg und sportliche Großereignisse wichtige Faktoren für Stadtentwicklung sind.
Der Nachmittag war geprägt von der Arbeit in den Kleingruppen. Da die Themen zu Beginn des Schuljahres schon gewählt worden waren, konnten Interview-Partner aufgesucht und Erhebungen durchgeführt werden. Die Ergebnisse wurden Ende November im Klassenzimmer präsentiert, wodurch weitere Aspekte der Stadtentwicklung zusammengetragen worden sind: die Bedeutung der Brauereien für München (Interview mit Augustiner), Das Mobilitätskonzept von BMW für den Münchner Norden (Interview bei BMW), die Bedeutung des Tourismus (Interview mit dem Tourismusreferat der LH München), Befragung zu verändertem Einkaufsverhalten (online und Corona), Strukturwandel im Olympiagelände und am Viktualienmarkt, Fair-Trade in München (Befragungen), „Kunsthauptstadt“ (Interview in der Oper) u.a.
2. Tag: Europas größte Baustelle - München Freiham
Am Freitag durchkreuzten alle vier Kurse auf verschiedenen Routen das Neubaugebiet Freiham, um einen Einblick in die Entwicklung und Planung des neuen Stadtteils zu bekommen. Hier soll auf einer Fläche von 350 Hektar ein neuartiges Wohngebiet für 25 000 Menschen entstehen, das die Attribute „ökologisch“, „menschlich“, „städtisch“ und „familiär“ als Markenzeichen trägt. Im Süden der S-Bahnlinie der S8 wird dazu seit 2006 ein ökologisch nachhaltiges Gewerbegebiet entwickelt, umgeben von Grünflächen. Auch das Gut Freiham befindet sich hier, das die Münchner Traditionsbrauerei Augustiner für Lagerung und Schulungszwecke am Stadtrand nutzen wird.
Der erste Realisierungsabschnitt des Quartiers Freiham beinhaltet unter anderem das Stadtteilzentrum nördlich des Bahnhofs Freiham, das aus einem zentralen Stadtplatz, Einrichtungen für Einzelhandel, Dienstleistungen und Gastronomie, sowie Büro- und Wohnflächen bestehen soll. Außerdem beinhaltet dieser einen großen Bildungscampus mit Sportpark bestehend aus einem Gymnasium, einer Realschule, einem sonderpädagogischem Förderzentrum und einer Grundschule, für insgesamt ca. 3000 Schüler*innen, der bereits seit dem Schuljahr 2019/2020 in Betrieb ist und uns zu vielen Diskussionen angeregt hat.
Im zweiten Realisierungsabschnitt soll die Fläche nördlich der S-Bahnlinie mit Wohnungen und den nötigen Infrastruktureinrichtungen entstehen. Auch für die Grunddaseinsfunktion Erholung wird gesorgt sein: östlich der A99 wird ein großer Landschaftspark angelegt, der als „Puffer“ zwischen Autobahn und Stadt dienen soll und an vorhandenen örtlichen Grünflächen orientiert ist.
Alles in allem entsteht im Neubaugebiet Freiham ein neuer Stadtteil, der vielleicht schon bald die zukünftige Lebensweise in einer Stadt repräsentieren wird. Das Pilotprojekt soll zeigen, dass es auch in Wohngebieten nachhaltigere Alternativen zum eigenen Auto gibt und die Lebensqualität dadurch für alle erhöht wird. Durch viele Flächen für Fußgänger*innen und verschiedene Radwege soll die Mobilität der Zukunft verändert werden.
Auf unserem Rundgang konnten die theoretischen Ideen der Quartiersplanung verfolgt werden, in allen Kursen wurde aber auch heftig darüber diskutiert, ob sich das ideale Konzept mit 25 000 Menschen auf dann doch nur 350ha Fläche wirklich nachhaltig, familienfreundlich und trotzdem städtisch wirklich realisieren lassen kann. Viele von uns werden jedenfalls in Zukunft mit dem Viertel zu tun haben, da sie dort wohnen, dort arbeiten oder mit den anderen 24.999 Menschen um den Platz in der S-Bahn rangeln müssen…
Insgesamt konnte die Exkursion wirklich dazu beitragen, das Q12-Thema „Stadtgeographie“ deutlich zu veranschaulichen.
Annika Graf, Q12 (1geo1) und Daniela Meyer-Bender (StD)